Eigentlich wollte ich zu diesem Thema nichts schreiben, der Wecker klingelt wieder zu früh und ich bin eher stiller Leser. Aber evtl. kann ich zu diesem Themenkreis etwas beitragen.
Politik ist ein komplexer Prozess, den ich selbst vor einigen Jahren im Regierungsviertel und auf kommunaler Ebene hautnah miterlebt habe. Das Thema "Waffenbesitz" stand bedingt durch innerdeutsche Ereignisse wiederholt auf der Agenda und wies dabei im Gegensatz zu anderen Themenkreisen eine bemerkenswerte Besonderheit auf: Zu jenem Zeitpunkt gab es keine ernstzunehmende Pro-Waffenbesitz Lobby. Ob sich das heute anders darstellt, kann ich nicht sagen, weil ich das nicht weiter verfolgt habe. Mein aktueller Eindruck ist, dass sich nichts Wesentliches geändert hat.
Das stellt im Vergleich zu anderen Politikfeldern eine Besonderheit dar. Während auf nahezu allen Politikfeldern miteinander wettstreitende Akteure um Gesetzesinitiativen ringen, umfangreiche Presse- und Öffentlichkeitsarbeit betreiben und schlicht im parlamentarischen Raum sichtbar sind, stellte sich das im hier diskutierten Themenfeld anders dar. Seinerzeit gab es einzig und allein gesteuerte "Kettenbriefe" einzelner Sportschützen oder Jäger - auf die gab es natürlich auch nur ein Standardantwortschreiben. Es fehlt die Organisations-, Mobilisierungs- und Konfliktfähigkeit, die andere Interessengruppen wesentlich professioneller realisierten. Das ist sehr bemerkenswert. Krasses und durchaus streitbares Gegenbeispiel: die NRA.
Was hat das mit dem Ausgangsthema zu tun? Ich glaube nicht an eine im Geheimen geplante sogenannte "Volksentwaffnung". Fakt ist für mich allerdings auch, dass Waffenbesitz gewisse Rahmenbedingungen braucht.
Aus meiner Sicht handelt es sich vielmehr um einen konsequenten politischen Prozess, in dem schlicht ein Akteur fehlt: Das Sprachrohr der Airsoftler, Paintballer, Hobbyschützen, Sportschützen, Jäger etc. Während andere Akteure ihre Standpunkte offensichtlich erfolgreich platzieren, sehe ich keine von Erfolg gekrönten Initiativen auf "unserer" Seite. Wenn das ausbleibt, dürfen wir uns letztlich nicht beschweren; wir haben unsere Stimme schließlich nicht erhoben.
Wir dürfen uns auch nicht wundern, wenn sämtliche Argumente jeglicher Logik entbehren. Es wird allgemein ein diffuser Zusammenhang zwischen legalem Waffenbesitz, Kriminalität und Terrorismus gezeichnet. Dumm nur, dass es diesen nicht gibt. Das wäre mit der Auswertung der PKS, der vergangenen Anschläge in Europa sowie der Analysen einschlägiger Terror-Propaganda leicht feststellbar. Wir wissen das. Wenn nun aber stets das Gegenteil proklamiert und/oder beschworen wird und wir dem kommunikativ nichts entgegensetzen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich "die" Politik diesem vermeintlichen Zusammenhang annimmt und durch Waffenrechtsverschärfungen zumindest die gefühlte Sicherheit erhöhen will.
Denn um die gefühlte Sicherheit scheint es in unserem Land -ungeachtet der Faktenlage- nicht so gut zu stehen. Wenn nun u.a. auf die gefühlt ansteigende Gewaltbereitschaft und zunehmenden Messerangriffe mit einer Waffenrechtsverschärfung reagiert wird, um "Schlimmeres" zu verhindern, erscheint das dem neutralen Beobachter zunächst logisch.
Und wenn dem niemand widerspricht, scheint das im Sinne der stillschweigenden Zustimmung die stillschweigende Mehrheit ebenfalls zu denken. Diskussionen wie hier in einem Internetforum sind unterdessen ganz nett, dienen aber auch nur der seichten Unterhaltung im eigenen Resonnanzkörper. Das ist schade, weil es offensichtlich eine hinreichende Anzahl an Betroffenen gibt. Und die schaffen es schlichtweg nicht, ihre gemeinsamen Interessen zu finden und zu artikulieren.